Liedtexte und Hörporben
An die Hoffnung, 2. Vertonung
Text: Tiedge (1752-1841)
Ob ein Gott sei? Ob er einst erfülle,
Was die Sehnsucht weinend sich verspricht?
Ob, vor irgend einem Weltgericht,
Sich dies rätselhafte Sein enthülle?
Hoffen soll der Mensch! Er frage nicht!
Die du so gern in heil’gen Nächten feierst
Und sanft und weich den Gram verschleierst,
Der eine zarte Seele quält,
O Hoffnung, laß, durch dich empor gehoben,
Den Dulder ahnen, daß dort oben
Ein Engel seine Tränen zählt!
Wenn, längst verhallt, geliebte Stimmen schweigen;
Wenn unter ausgestorbnen Zweigen
Verödet die Erinnrung sitzt:
Dann nahe dich, wo dein Verlaßner trauert,
Und, von der Mitternacht umschauert,
Sich auf versunkne Urnen stützt.
Und blickt er auf, das Schicksal anzuklagen,
Wenn scheidend über seinen Tagen
Die letzten Strahlen untergehen:
Dann laß ihn um den Rand des Erdentraumes
Das Leuchten eines Wolkensaumes
Von einer nahen Sonne sehn!
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